Laschet ist eine Mischung

CDU-Vorsitzender

Aus Helmut Kohl und Johannes Rau

Armin Laschet ist CDU-Vorsitzender, aber hält er die Union zusammen? Welche Perspektiven haben die frustrierten Merz-Anhänger? Ein „Tagespost“-Interview mit Hugo Müller-Vogg.

Herr Müller-Vogg, Armin Laschet hat zwar gewonnen, aber knapp. Muss er nun auf die Merz-Anhänger zugehen?

Laschet hat als Vorsitzender zwei fast gleich starke „Parteien“ zu führen: Einmal die Merkelianer, die ihre teils sozialdemokratische, teils angegrünte Partei so lassen wollen, wie sie ist. Und dann eben die an dieser Merkel-CDU zweifelnden Wertkonservativen und Wirtschaftsliberalen. Laschet ist als Typ und von seinem Wesen her in der Lage, integrierend zu wirken. Zudem wird ihm helfen, dass die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz und dann später in Sachsen-Anhalt vor der Tür stehen. Wer siegen will, der muss Geschlossenheit zeigen. Das wissen Parteien und auch die CDU-Mitglieder.

Wird aber auch Friedrich Merz sich integrieren lassen? Nach der Wahl forderte er noch als Wirtschaftsminister in das Kabinett aufgenommen zu werden, zwei Tage später hat er in einem Brief an alle CDU-Mitglieder klein beigegeben, er sei zur Mitarbeit in der Partei bereit.

Das Verhalten von Merz nach der Wahl war eigentlich peinlich. Er wusste natürlich, dass seine Forderung nach dem Ministerposten nicht erfüllt werden kann. Wie hätte Laschet das auch machen sollen? Er ist ja nicht Kanzler. Merz wollte demonstrieren: „Seht her, ich habe ein Angebot gemacht. Aber das ist nicht angenommen worden.“ Sein Brief zwei Tage später ist nun der Versuch einer Schadensbegrenzung. Seine Aufforderung an die Delegierten, sie sollten alle bei der formal noch notwendigen Briefwahl für Laschet stimmen, war völlig überflüssig. Die meisten haben wahrscheinlich schon am Wochenende ihre Wahlbriefe abgeschickt. Diesen Appell hätte Merz direkt am Samstag an die Delegierten richten müssen. So wirkt das Ganze eher peinlich.

Die Union braucht aber Merz doch weiterhin als Gewährsmann für ihre konservativen Anhänger – oder kann sie auf ihn verzichten?

In der Tat könnte die CDU jemanden brauchen, der die eher konservativen und marktwirtschaftlich orientierten Wähler anspricht. Früher war die CSU so etwas wie eine Rückversicherung für diese Wähler nördlich des Mains. Die konnten sagen, ich stimme zwar nicht mit Merkel überein, aber es gibt ja noch Stoiber oder Seehofer, und deshalb bleibt die CDU wählbar. Dieser Effekt fällt jetzt mit dem schwarz-grünen Kurs von Markus Söder weg. Der ist ja sogar Vorkämpfer für eine Frauenquote in Unternehmensvorständen. Ein Kanzlerkandidat Laschet oder Söder wäre gut beraten, Merz in sein Team aufzunehmen. Allerdings weiß noch niemand, was es nach der Bundestagswahl für eine Koalition geben wird, Schwarz-Grün oder vielleicht Jamaika. Und noch offener ist, welche Ministerposten die CDU dann besetzen kann. Merz hat im Wahlkampf um den Vorsitz bewiesen, dass er zur Wirtschaftspolitik viel zu sagen hat. Seine Parteitagsrede ging aber daneben. Sich als Frauenversteher zu präsentieren, weil er seit 40 Jahren verheiratet ist, war inhaltlich schon etwas dürftig.

War die Rede von Armin Laschet denn wirklich inhaltsreicher?

Friedrich Merz hat eine Rede gehalten, als ob er schon Regierungschef sei. Armin Laschet hat um die Delegierten geworben. Er hat ihnen gezeigt, dass er die Partei als eine Gemeinschaft, ja fast schon als eine Familie versteht. Er präsentierte sich als eine Mischung aus Helmut Kohl und Johannes Rau – „versöhnen statt spalten“. Sein wichtigster Satz war: „Die Partei braucht einen Mannschaftskapitän, keinen CEO.“ Damit hat er die Seele der Delegierten gestreichelt.

Aber auch die Seele der Partei? Bei den meisten Befragungen in den Kreisverbänden im Vorfeld lag Merz vorne.

Das stimmt. Es reicht aber nicht, wenn ein CDU-Vorsitzender die eigenen Mitglieder überzeugt, er muss auch 35 bis 40 Prozent der Wähler erreichen. Ich habe so meine Zweifel, dass die Mehrheit der CDU-Mitglieder repräsentativ für die Mehrheit der Wähler ist. Ich bin deshalb in Bezug auf Mitgliederentscheide skeptisch. Die sind zwar ein hervorragendes Instrument innerparteilicher Demokratie. Aber es gibt auch gute Gründe für den Standpunkt, die überwiegend hauptberuflich politisch tätigen Delegierten könnten einen rationaleren Blick auf die Wähler haben. Bei der SPD kann man ja sehen, zu welchen Ergebnissen man mit einer perfekten Basisdemokratie kommt.

Aber kann die Union den Willen der Mehrheit der Mitglieder einfach ignorieren? Claus Strunz hat vorgeschlagen, Merz und seine Anhänger sollten zur FDP gehen?

Die Befragungen vor dem Parteitag waren allesamt unverbindlich. Trotzdem werden einige verärgerte Mitglieder austreten, aber eine Austrittswelle erwarte ich nicht. Die gab es ja auch 2018 nicht. Und damals schien mit dem Sieg von Annegret Kramp-Karrenbauer, anders als heute, auch die Kanzlerkandidatenfrage geklärt. Merz wird nicht zur FDP wechseln; er hat das auch selbst zurückgewiesen. Allerdings würde die FDP von einem abseitsstehenden Merz profitieren. Sie hätte dann auf dem Gebiet marktwirtschaftlicher Politik ein Alleinstellungsmerkmal.

Und die AfD, ist die noch attraktiv für frustrierte Konservative?

Die AfD wird mit Sicherheit in den nächsten Bundestag einziehen. Aber aufgrund ihrer Zusammensetzung – viele Rechtsradikale und Völkische und jetzt wahrscheinlich noch Corona-Leugner und „Querdenker“ – kann sie für anständige Konservative keine Alternative sein.

Schließlich noch der Blick auf zwei Personen: Welche Rolle werden Jens Spahn und Markus Söder künftig spielen?

Jens Spahn hat sich mit seiner als Frage getarnten Wahlrede auf dem Parteitag ins Abseits gestellt. Er ist auch sofort bei den Wahlen zum Präsidium abgestraft worden. Dass Spahn in der Partei nicht der große Sympathieträger ist, zeigt auch etwas anderes: 2018 hat Spahn als dritter Kandidat für den Vorsitz wesentlich weniger Stimmen bekommen als jetzt Röttgen. Obwohl Spahn damals anders als Röttgen in der Partei fest verankert war. Zu Söder schließlich: Er hat gegenüber der FAZ gesagt, die Union werde nicht den mit den schlechtesten Umfragewerten zum Kanzlerkandidaten machen und dabei gelacht. Gut möglich also, dass Laschet im Frühjahr dem Umfragekönig Söder die Kandidatur anbieten muss.


Die Fragen stellte:  ©Sebastian Sasse

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