Nächster Halt: Intensivstation

Auf den Kopf gestellt

Keine Zeit zum Denken

Wer glaubt, das Corona-Virus habe „nur“ zu einer verheerenden Pandemie geführt, der irrt. Das Virus hat die Welt vielmehr vollkommen auf den Kopf gestellt und die Erde ein weiteres Mal erbeben lassen. Zahlreiche Menschen erwarteten noch vor Wochen eine Rückkehr zur „Normalität“. Inzwischen ist klar: So rasch wird sich die Lage nicht entspannen. Ergo: Die Welt wird auf die Intensivstation verbannt. Aus ökonomischer Betrachtungsweise ist die Lage so düster wie seit langem nicht mehr. Die Weltwirtschaft bietet ein geradezu besorgniserregendes Bild. Dies vor allem, weil die meisten Länder rund um den Globus eine „Mount-Everestisierung ihrer Staatsschulden“ auf der einen und den Tod der Marktwirtschaft auf der anderen Seite erleben. Ein Grund: Politiker haben sich nicht wirklich Zeit zum Nachdenken genommen – und das über zwei bis drei Dekaden hinweg.

 

Auf den Kopf gestellt
Das Karussell dreht sich im Kreis – bis zur Übelkeit. Foto: Udo Rettberg

 

Die Globalökonomie wird seit langem und zuletzt immer stärker zu großen Teilen über Schulden finanziert und am Laufen gehalten. Das läuft dann in der Regel so ab, dass Investmentfonds, Versicherungen und andere Kapitalsammelstellen als Käufer der vom Staat (über die Regierungen) neu ausgegebenen Staatsanleihen in Erscheinung treten und so das von Privatanlegern an die Institute eingezahlte „Sparkapital“ investieren. Das eingezahlte Kapital stammt also von den Bürgern. Gleichzeitig zahlen Finanzminister sowohl einigen „Mitgliedern“ der Wirtschaft wie Mittelständlern und Selbständigen Geld als „große Krisenhilfe“ und „Rettungsschirme“ direkt aufs Konto. So z.B. in der Form von Arbeitslosengeld und Kurzarbeitergeld. Diese Regierungsgelder haben sich Merkel, Scholz und Co jedoch vornehmlich durch die Kreation neuer Schulden besorgt. Und andere Gelder von Kapitalsammelstellen sind gleichzeitig zum großen Teil nichts anderes als die Ersparnisse und Zukunfts-Vermögen der Bürger.

Ein anderer Weg besteht darin, dass Notenbanken wie die EZB die von Regierungen neu emittierten Staatsanleihen kaufen

Und wie finanziert? Mit künstlich kreierten (ungedecktem) Fiatgeld. In der Folge wird dann dieses künstlich geschaffene Geld für den Kauf der Staatsanleihen z.B. durch die EZB genutzt – mit Geld, was es eigentlich gar nicht gibt, sondern synthetisch als Staatsschulden kreiert wird. Mit dem auf diese Weise künstlich neu geschaffenen Geld treten Regierungen und Notenbanken dann als „Könige der Systeme“ und „Retter der Welt“ in Erscheinung.

Die Folge könnte dann im weiteren Verlauf eine (bisher allerdings nur schwer erkennbare) schleichende Geldentwertung sein. Wie man es dreht und wendet: Am Ende ist in allen denkbaren Fällen der Bürger der Dumme. Nicht nur die Bürger verarmen auf diese Art und Weise direkt, sondern auch das „Gesamtgebilde Staat“, dessen Teil Bürger nun einmal sind. Eine Folge des Problems: Ich glaube weiter daran, dass Regierungen sich zu einer – wie auch immer gearteten – neuen Währungsreform entschließen werden. Das aber heißt auch: Im aktuellen Finanzsystem ist Geld kaum mehr etwas wert. Eine von verschiedenen Seiten vorgeschlagene Erhöhung der Steuern halte ich indes für wenig wahrscheinlich und aus konjunktureller Sicht für kontraproduktiv.

Die möglichen Folgen und Auswirkungen von Corona habe ich seit vielen Wochen an dieser Stelle beschrieben

Dass die zweite Welle kommen würde, war für mich als Nicht-Experte so gut wie sicher. So langsam begreifen auch Ökonomen, Bank-Analysten und andere sich mit Wirtschaft und Finanz beschäftigende Experten das Ausmaß der Krise. Die Wirtschaft wird zum Teil heruntergefahren. Das richtet enormen ökonomischen und finanziellen Schaden an. Einen Boom gibt es nur in den Digital- und AI-Bereichen, wie auch die Amazons und Googles dieser Welt zu berichten wissen. Die Bundesregierung ist indes offensichtlich optimistisch, den Schaden zu begrenzen; denn sie hat die BIP-Prognose für 2020 jetzt von minus 6,3 % auf nur noch minus 5,5 % reduziert. Ich denke nach einem Besuch der Stadtzentren in Frankfurt, Hannover und Düsseldorf, dass die Lage schlimmer ist als viele glauben. Dabei orientiere ich mich u.a. an der Zahl der dort geschlossenen Einzelhandelsgeschäfte, Hotels und Restaurants.

Eigenverantwortlichkeit ist ein großes Thema

Was ich im Kontext mit der Corona-Krise kritisiere, ist das Verhalten der Menschen. Eigenverantwortlichkeit ist in dieser brodelnden Krise ein großes Thema. Wer aber sieht sich schon selbst in der eigenen Verantwortung? Es sind meist die anderen – zB die Politiker – von denen Bürger verantwortliches Handeln fordern. Umgekehrt gilt das indes auch. Die Frage: Für was übernehmen „überbezahlte“ Politiker eigentlich Verantwortung? Viele Bürger haben den Eindruck, dass diese Verantwortung von Politikern nicht für das Volk übernommen wird, sondern meist für den eigenen Geldbeutel und den eigenen Machterhalt.

Ob Donald Trump in diesen komplexen Zeiten sauer ist, weil er und die anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA aktuell nicht so sehr im Fokus der Weltöffentlichkeit stehen? Möglich ist das schon. Denn der australischen und kanadischen Dollar hat sich zuletzt erneut nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Und so mancher Betrachter fragt sich, ob Trump seine angebliche Corona-Infektion mit folgender „Wunderheilung“ als „Fake-Donald“ nicht bewusst gespielt hat, um in der breiten Öffentlichkeit als der „Held der Helden“ dazustehen …

Ich bin relativ sicher, dass Trump und andere US-Politiker auf einen weiteren Rückgang des Dollarkurses setzen

Ein schwächerer Dollarkurs verbessert halt die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft. Goldman Sachs, UBS und Invesco zählen – wie ich – zu den Dollar-Bären. Dies auch wegen der jüngsten Wahlumfragen, die Biden in Front sehen. Anleger sollten den Euro sowie den australischen und kanadischen Dollar kaufen, heißt es in einer Analyse. Auch Chinas Yuan wird positiv gesehen. Dem ICE U.S. Dollarindex wird ein weiterer Rückgang um mehr als 4 % zugetraut. Für mich stellt sich indes die Frage, was Europa mit dem Euro als Alternative auf der Währungsseite zu bieten hat. Im Moment haben alle Regionen und Länder ihre Schwächen. Grundsätzlich gilt für mich aber: Mittelfristig traue ich dem US-Dollar eine bessere Entwicklung als dem Euro zu; denn Europa befindet sich in einem katastrophalen Zustand. Nach den Wahlen in den USA wird die Zukunft der USA klarer erscheinen.

$ – € – Gold – Donald – ein sehr verwirrendes Bild

Enttäuscht bin ich aktuell vom Top-Management der EZB – deren Chefin Christine Lagarde als IWF-Leiterin für mich lange Zeit einen guten Job gemacht hat – jetzt aus meiner Sicht jedoch weitgehend versagt. Dass die EZB weiter massiv „Zinsgeschenke“ verteilt und sich zum Handlanger von Merkel, Macron und Co. machen lässt, gefällt mir überhaupt nicht. Und dass man jetzt in Frankfurt über die Einführung eines digitalen Euro nachdenkt, sehe ich als Beweis dafür, dass Notenbanken das Handtuch werfen. Wie andere Notenbanken so hat auch die EZB in Sachen Währung versagt. Denn aktuell läuft dort eine erste Testphase, nach der die EZB im Anschluss entscheiden will, ob es einen digitalen Euro geben wird. Dies vor allem, weil die Konkurrenz, durch Bitcoin und andere Währungen sowie durch Pläne anderer Firmen und Institute zunimmt.

Aufgabe der EZB sei auch, so deren Chefin, das Vertrauen in das Währungssystem zu sichern. „Der Euro muss für das digitale Zeitalter gerüstet sein“, so die Aussage. Ein solcher digitaler Euro bedeute indes nicht die Abschaffung des Bargelds. „Auf in den Kampf, Christine!“ Klar ist: Im Mittelpunkt stehen Themen wie die Erleichterung, Schnelligkeit und Sicherheit im Zahlungsverkehr. Wichtig ist die Frage: Brauchen wir noch Notenbanken, wenn andere Staaten und private Firmen wie Facebook längst an einer digitalen Währung arbeiten. Für mich heißt das: Das Vertrauen in Regierungen und Notenbanken schwindet; denn die dort tätigen deutlich überbezahlten Spezies haben in der jüngsten Vergangenheit schlichtweg versagt.

Nicht zuletzt in dieser Unsicherheit ist auch mein Optimismus für die Kapitalanlage in Gold begründet

Aktuelle Daten des World Gold Council (WGC) mit Sitz in London zur Lage am Goldmarkt haben mich indes überrascht. Danach ist die Goldnachfrage im dritten Quartal des Jahres um 19 % auf 892 Tonnen gefallen. Das ist der niedrigste Stand seit dem dritten Quartal des Jahres 2009. Zwar stieg die zuvor schwache Nachfrage der Schmuckindustrie, doch kam es coronabedingt in den anderen Nachfragesektoren zu deutlichen Rückgängen.

Das weltweite Goldangebot fiel nach WGC-Angaben im dritten Quartal 2020 um 3 % auf 1223,6 Tonnen – und das ungeachtet eines rund 6%igen Anstiegs des Gold-Recyclings. Coronabedingt war das Angebot aus der globalen Minenproduktion indes rückläufig. Bekannt wurde zuletzt auch, dass Notenbanken per saldo mehr Gold verkauft haben – klar, sie haben auf diese Art und Weise Gewinne realisiert, weil ihre Bilanzen ja im Großen und Ganzen schlichtweg katastrophal aussehen. Gold ist und bleibt „der Hit“.


Autor: ©Udo Rettberg Publizist / Journalist

Weitere Artikel